Allgemein
Do 01.07.2021
analog oder digital kommunizieren?
ein Beitrag von
Susanne Weißl
Die digitalisierte Welt nimmt seit über 30 Jahren einen immer größer werdenden Einfluss auf unsere Kommunikation und unsere Lebensweise. Besonders seit der Corona-Pandemie ist für viele das Wort Digitalisierung nicht mehr wegzudenken, um ihren Lebensalltag meistern zu können. Deshalb wollte ich wissen: Inwiefern hat sich das Kommunikationsverhalten (von jungen Leuten), vor allem durch Corona, verändert? Im privaten Leben wie auch im schulischen Kontext, aber auch zwischen den Generationen. Sind neue Hürden entstanden oder sind Erleichterungen eingetreten?
Die Corona-Pandemie geht mit einer zunehmenden Bedeutung von Digitalisierung einher. Für mich ist klar, dass Digitalisierung, vor allem in Bezug auf Kommunikation, schon lange ein Thema ist. Die Kommunikationsverhalten verändern sich und verlegen sich besonders für viele Jugendliche von persönlichen Gesprächen in das distanzierte und asynchrone Schreiben. Soziale Medien nehmen eine immer bedeutendere Rolle im Bereich der Kommunikation ein. Tools wie WhatsApp, Instagram, Snapchat und TikTok sind für die Mehrheit aller Jugendlichen ein fixer Bestandteil. Und das nicht erst seit der Corona-Pandemie. Doch stimmt das denn wirklich für alle so? Ich hole mir Meinungen der Generationen dazu ein.
Antonia
12 Jahre
Wien
Antonia
12 Jahre
Wien
Inwiefern hat sich deine Kommunikation mit deinen Freund:innen durch Corona verändert?
Ich finde, Corona hat die Kommunikationsbarrieren verringert. Sowohl zu meinen Klassenkameraden/innen, als auch zu den Lehrer/innen. Ich traue mich jetzt mehr, meine Lehrer/innen um Hilfe zu bitten und nachzufragen. Außerdem habe ich mehr Mut bekommen vor der Klasse zu sprechen, weil die Gruppen kleiner sind und ich nur nette Kinder in meiner (Gruppe) habe.
Verwendest du nun andere Kommunikationsmittel als zuvor? (Welche zum Beispiel? Nehmen diese Auswirkungen auf deine Kommunikation?)
An Kommunikationskanälen verwende ich hauptsächlich WhatsApp und Teams. WhatsApp eher für private Zwecke, Teams für die schulische, als auch die private Nutzung. Vor allem die Video-Chat Funktion nutze ich im Moment sehr häufig.
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Sofia
16 Jahre
Wien
Sofia
16 Jahre
Wien
Inwiefern hat sich deine Kommunikation mit deinen Freund:innen durch Corona verändert?
Ich habe einen großen Unterschied zwischen den verschiedenen Lockdowns gemerkt, wenn ich an meine Kommunikation denke. Anfangs wollte ich den Kontakt genauso stark halten, wie als wenn wir in der Schule wären, doch mit der Zeit habe ich gemerkt, dass ein bisschen Abstand zu anderen Menschen und etwas weniger Kommunikation auch sehr gut tun kann. Kontakte aufrechtzuerhalten bedeutet auch immer viele Verpflichtungen und Zeitaufwand. Ich habe in dieser Zeit gelernt, dass auch mit weniger Kontakt untereinander, Freundschaften aufrecht erhalten bleiben können. Besteht die Möglichkeit sich zu sehen, fühlt sich die gemeinsame Zeit doppelt so wertvoll an. Außerdem konnte ich zu meinem gleichaltrigen Cousin in Spanien einen Kontakt aufbauen, den es ohne Corona wahrscheinlich niemals gegeben hätte, da wir uns in den Ferien in Spanien gesehen hätten. Da diese Möglichkeit nicht gegeben war, mussten wir unsere Kommunikation digital fortführen, was sich bis heute gehalten hat. Und was ich sehr schön finde!
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Astrid
16 Jahre
Wien
Astrid
16 Jahre
Wien
Inwiefern hat sich deine Kommunikation mit deinen Freund:innen durch Corona verändert?
Der Kontakt zu meinen Verwandten hat sich, genauso wie bei Sofia, durch die Corona-Zeit verstärkt. Ich habe meine Verwandten in Mexiko zwar noch nie besucht, allerdings kommen sie normalerweise zu uns. Letztes Jahr im März sind sie sogar für die Zeit des 1. Lockdowns zu uns gezogen, was den Kontakt noch mehr verstärkt hat.
Dieser Kontakt hat sich dann gehalten. Im Schulkontext hat sich das ähnlich entwickelt. Dadurch, dass wir unsere Lehrer eher weniger fragen konnten, wenn wir etwas nicht verstanden hatten, haben wir uns untereinander noch mehr vernetzt, als früher schon. Hilfestellungen wurden voneinander und füreinander geboten sowie um Hilfe gebeten. Im distance learning habe ich mich leichter getraut meine Freund*innen/Klassenkamerad*innen um Hilfe zu fragen. Auch das hat sich dann bis in die Zeit des physischen Unterrichts gehalten. Ich kann allerdings nicht zu 100% sagen, ob diese Veränderung von Corona kommt, da ich auch älter und reifer geworden bin. Daher kann ich nicht sagen, ob die Auswirkungen mit der vergangenen Zeit oder der Zeit im Distance Learning zusammenhängen.
Verwendest du nun andere Kommunikationsmittel als zuvor? (Welche zum Beispiel? Nehmen diese Auswirkungen auf deine Kommunikation?)
Allgemein haben sich meine Kommunikationsmittel insofern geändert, dass ich schneller zum Video-Chat greife, wenn ich etwas von jemandem brauche. Die Zeit, die ich früher “normal” telefoniert hätte, die nutze ich heute für Videoanrufe. Dadurch habe ich die Möglichkeit, dass ich meine Freund*innen wenigstens sehe.
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Caro
12 Jahre
Wien
Caro
12 Jahre
Wien
Inwiefern hat sich deine Kommunikation mit deinen Freund:innen durch Corona verändert?
Ich habe vor allem gemerkt, dass die Kommunikation zu nahe wohnenden Bekannten/Freunden wieder zugenommen hat. Ehemaligen Klassenkamerad*innen aus der Volksschule, welche ich seit Jahren nicht mehr gesprochen habe, konnte ich mich wieder annähern. Jetzt sind wir gut miteinander befreundet. Zu meinen Freund*innen hat sich die Kommunikation nur in dem Sinne verändert, dass wir uns jetzt weniger treffen und dafür mehr über Video-Chat telefonieren.
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Herr Simonitsch
Lehrer BG Boerhaavegasse
50 Jahre
Wien
Herr Simonitsch
Lehrer BG Boerhaavegasse
50 Jahre
Wien
Hat sich deine Kommunikation durch Corona verändert?
Die Kommunikation zwischen Lehrer*innen und Schüler*innen ist niederschwelliger geworden. Was die Beziehung zwischen Lehrer*innen und Schüler*innen oftmals vereinfacht. Durch die Verwendung von MS Teams, von der ganzen Lehrer- und Schülerschaft, hat sich die Kommunikation sowohl unter Kolleg*innen als auch mit den Schüler*innen sehr vereinfacht. Für mich als Lehrer hat die Einführung von Teams als Kommunikationsmittel, viele Vorteile mit sich gebracht, weil es den Austausch leichter und schneller gemacht hat. Die verschiedenen Gruppen haben einfach mehr Verständnis füreinander, weil auf beiden Seiten z.B. im digitalen Bereich, Probleme, die nicht beeinflusst werden können, auftreten.
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Hannes Lewinski
69 Jahre
Wien
Hannes Lewinski
69 Jahre
Wien
Hat sich deine Kommunikation durch Corona verändert?
Ich habe schon vor Corona die sozialen Kanäle, Facebook und E‑Mail benutzt. Diese verwende ich auch weiterhin. Neue Kanäle, wie zB. WhatsApp nutze ich allerdings nicht. Auch in der Kommunikation zwischen den verschiedenen Generationen merke ich keinen großen Unterschied, da ich die Medien verwende, die ich davor schon genutzt habe, und alle anderen Menschen auch. Auf meine Kommunikation hatte Corona eher wenig Einfluss. Ich bin auch der Meinung, dass die Kommunikation zwischen den Generationen generell nicht vorhanden ist, weil für Viele die Zeit fehlt. Durch die Digitalisierung ist alles stressiger geworden.
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Johanna Weißl
82 Jahre
Wien
Johanna Weißl
82 Jahre
Wien
Inwiefern hat sich deine Kommunikation mit deinen Freund:innen durch Corona verändert?
Für mich hatte Corona auf mein Kommunikationsverhalten sogar eine positive Auswirkung. Durch die erzwungene Ausgangsbeschränkung habe ich beschlossen, das ganze Jahr in unserem Nebenwohnsitz in Klosterneuburg zu verbringen (Niederösterreich). Dort habe ich einen Garten und dadurch auch mehr Freiraum. Meine direkten Nachbarn sind ebenfalls in ihren Häusern in Klosterneuburg geblieben, wodurch sich mehr Kontakt zu diesen aufgrund vieler „über den Zaun- Gespräche” ergeben hat. Eine nette Abwechslung zum Alltag. Denn in Wien wäre ich ansonsten nur alleine gewesen.
Verwendest du nun andere Kommunikationsmittel als zuvor? (Welche zum Beispiel? Nehmen diese Auswirkungen auf deine Kommunikation?)
Durch einen Zufall habe ich in der Corona-Zeit WhatsApp bekommen. Viel Unterschied macht es in meinem Leben nicht, da ich nur mit meiner Familie dieses Tool nutze. Allerdings möchte ich es trotzdem nicht mehr missen, da es sehr wohl die Kommunikation vereinfacht. Allerdings würde ich die Video-Chat Funktion niemals nutzen. Sie ersetzt für mich keine „echte“ Kommunikation und bietet auch keinen Mehrwert. Entweder ich treffe mich mit Menschen persönlich oder ich telefoniere mit ihnen. Video-Chat ist irgendwie so „halb- halb“. Das mag ich nicht. Mein allgemeines Kommunikationsverhalten hat sich in der Corona-Zeit sehr wohl verändert: Nicht nur aufgrund der Nutzung von WhatsApp, sondern auch durch die Tatsache, dass ich mit meinen Nachbarn in einem viel stärkeren Austausch war und auch durch die regelmäßigen Treffen mit meinen Kindern/Enkelkindern. Diese versorgten mich wöchentlich mit Einkäufen und verbrachten gelegentlich auch mal einen Tag bei mir auf dem Land.
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Bei den meisten Interviewpartner*innen verändert sich ihr Kommunikationsverhalten während der Pandemie. Dies gilt jedoch nicht für die Kommunikation zwischen den Generationen, trotz verstärkter Digitalisierung. Die jungen Leute räumen beispielsweise dem Videotelefonieren einen größeren Stellenwert ein: Eine gute Möglichkeit mit seinen Freund*innen und Familie in Kontakt zu bleiben und sich zu sehen; wenn auch nur über den Bildschirm. Im schulischen Kontext wird die Kommunikation zwischen Lehrer*innen und Schüler*innen als niederschwelliger empfunden: Die Einführung digitaler Plattformen wie etwa MS Teams erleichtert die Kommunikation und die jungen Leute trauen sich mehr zu fragen. Sowohl zwischen Lehrer*innen und Schüler*innen, als auch in Bezug auf das Sprechen in und vor der Klasse. Ein Vorteil: Die Gruppen vor Ort waren kleiner und alle hatten Verständnis füreinander. Alle wussten, dass gewisse technische Probleme nicht beeinflusst werden können. Ebenfalls hat sich die Vernetzung unter den jungen Leuten verbessert. Der Austausch findet schneller und einfacher statt.
Ein bemerkenswerter Aspekt: Die Corona-Pandemie führt für einige dazu, dass sie (wieder) stärker Kontakt zu ihrem unmittelbaren Umfeld pflegen. Analoge Gespräche zu den Nachbar*innen haben sich intensiviert und Freundschaften sind entstanden. Gleichzeitig ergeben sich Beziehungen, zu ehemaligen Freund*innen oder zu Verwandten, die weit entfernt leben, welche zuvor undenkbar gewesen wären. Gut zu wissen ist: Der Kontakt zu den Freund*innen ist nicht abgebrochen. Freundschaften bleiben auch dann bestehen, wenn man sich nicht so oft sieht.
Perspektive gewinnen, was wissen wir?
Im Mai konnte ich mein Wissen im Bereich Kommunikation und Digitalisierung durch das Expert*inneninterview mit Marlena Koppendorfer vertiefen. Sie hat einen bunten Werdegang und unter anderem auch eine sehr umfangreiche Ausbildung im Bereich der Sprachwissenschaften. Mittlerweile ist Frau Koppendorfer zu ihrem Herzensthema zurückgekehrt: Der psychologischen Beratung und Psychotherapie. Sie arbeitete viele Jahre bei “147 Rat auf Draht” als psychologische Beraterin. Ebenfalls gibt sie bis heute Workshops zum Thema Safer Internet. Seit einigen Monaten ist sie im Kinder- und Jugendpsychiatrischen Ambulatorium in Wien Floridsdorf tätig sowie für den Verein Courage, für den sie im Bereich LGBTQ-Beratung aktiv ist.
Expertinneninterview mit Marlena Koppendorfer
Marlena Koppendorfer
Wien
Marlena Koppendorfer
Wien
Susanne: Vielen lieben Dank, dass Sie sich heute für das Interview Zeit genommen haben. Mein Blogbeitrag bearbeitet das Thema „Kommunikation und Digitalisierung“, vor allem in Zeiten von Covid-19. Nun würde mich interessieren, ob Sie Erfahrungen damit gemacht, dass sich der Wortschatz oder die Ausdrucksweise von den Kindern und Jugendlichen durch die Nutzung von digitalen Medien verändert.
M.K.: Sprache ist immer prozesshaft, sie befindet sich stets im Wandel. Sie wird beeinflusst durch die jeweilige Kultur, durch das Stadt- oder Landleben aber auch durch unsere Bezugspersonen sowie unseren Freundeskreis. Sprache verändert sich durch diese Komponenten ständig. Auch die Jugendsprache befindet sich aufgrund unterschiedlicher Einflüsse ständig im Wandel. Natürlich wirkt sich die Nutzung der Medien ebenfalls auf die Sprache aus. Ein Beispiel: Vermehrt werden englischsprachige Worte verwendet. Wenn ich nachfrage: Woher hast du das Wort? Kommt ganz oft: Aus Tik Tok-Videos (die sehr oft englischsprachig sind). Genauso sind auf Instagram viele Stories, Youtube-Videos oder Let‘s play-Anleitungen zum Gaming auf englisch. Sollte das der Fall sein, dann entsteht ganz oft ein “Misch-Slang” zwischen englischen, deutschen, deutsch-österreichischen Wörtern und ganz spezifischen Ausdrücken von bestimmten Szenen. Das ist spürbar.
Susanne: Weil wir gerade von Sozialen Medien und den digitalen Medien sprechen: Social Media beinhaltet ja, dass die Kommunikation nur eingeschränkt auf der nonverbalen Kommunikationsebene stattfinden kann. Denken Sie, dass sich die Fähigkeiten im Bereich “nonverbaler oder paraverbaler Kommunikation” von jungen Menschen verändert oder verschlechtert hat?
M.K.: Das ist eine sehr gute Frage, die mich schon oft zum Nachdenken gebracht hat. Ich befürchte, dass ich diese Frage nicht ganz konkret beantworten kann. Ein Wunsch von mir ist, dass wir neben der digitalen Kommunikation auch noch andere „Bühnen der Kommunikation“ haben. Unabhängig ob in der Schule, im Kindergarten, im Freundeskreis oder aber auch in der Familie. Das heißt, dass ein soziales Lernen von Mimik, Gestik und Ausdruck noch möglich ist. Denn in digitalen Medien kann die Ausdrucksweise schnell zur Verwirrung führen. Das bedeutet: Ich kann nicht immer deuten, wie mein Gegenüber das Geschriebene meint. Sprachnachrichten können jedoch unterstützend wirken: Denn die Tonlage erlaubt es, dass ein bisschen mehr herausgehört werden kann. Genauso wie Emojis: Wir alle denken, dass wir wissen, wann und für was wir sie verwenden. Aber wie diese bei einer anderen Person ankommen, ist möglicherweise nicht immer so, wie wir uns das wünschen.
Das gleiche gilt für die Bilderwelten, die eine immer größere Rolle spielen. Teilweise werden sehr unrealistische Bilder vermitteln: Wir alle versuchen im Digitalen nur unsere besten Seiten zu präsentieren. Deshalb sollte berücksichtigt werden: Diese Bilder entsprechen nicht immer dem, wie wir uns im Alltag begegnen.
Ein ernstzunehmendes Thema: „Hass im Netz“, vor allem im Bereich Mobbing. Tritt der Fall ein, dass wir kein sichtbares Gegenüber haben, trauen wir uns mehr. Das kann auch etwas Schönes sein, aber gerade, wenn es um Hass im Netz geht, auch sehr verletzend sein. Das bedeutet: Käme es dazu, dass wir so gut wie nur noch digital kommunizieren, gehe ich davon aus, dass wir uns mit der Zeit neue Fähigkeiten antrainieren würden. Momentan ist es eine gemischte Form. Oftmals ist der wichtigste Griff jener zum Telefon oder zum Videochat. Dadurch kann man sich teilweise sehen und es entstehen mehr Möglichkeiten sich gegenseitig einzuordnen.
Susanne: Glauben Sie, dass es schulische Auswirkungen haben kann, wenn Menschen schon jung sehr viel schreiben? Bzw. es sich negativ auf den Wortschatz und die Art der Kommunikation auswirken kann, wenn man viel über digitale Medien miteinander schreibt?
M.K.: Vermutlich gilt auch hier die Möglichkeit zu beidem. Die meisten haben Autokorrektur auf dem Handy. Diese setzt zwar keine Beistriche für uns, aber manchmal wird angezeigt, wie Wörter richtig geschrieben werden. Das heißt: Wir haben dadurch die Möglichkeit, uns ein bisschen selbst zu korrigieren. Dadurch geschieht eines allerdings weniger: Dass wir den Korrekturmodus in uns selbst haben! Was ich damit meine? Dass wir teilweise weniger selbstkritisch sind und unsere Fehler erkennen können. Eine Hypothese wäre deshalb: Die verstärkte Nutzung von digitalen Medien könnte dazu verführen, dass Menschen weniger sorgfältig mit ihrer Sprache umgehen. Das ist am Mix von verschiedenen Sprachen, Dialekten, einer Alltagssprache und einer schriftlichen Sprache erkennbar. Denn auch die gesprochene Sprache unterscheidet sich von der schriftlichen Sprache. Denn die Textform, die wir in der Schule kennenlernen und vor allem für unser späteres Leben sehr wichtig sein kann, ist möglicherweise eine andere, eine förmlichere Sprache als im Alltag. Zweifelsohne kann die gesprochene Sprache jedoch eine gute Option sein, in Kontakt zu kommen. Aber es ist wichtig sich im Konkreten anzuschauen, wie Sprache funktioniert: Eine Sprache, die wir in der Schule und/oder im Berufsleben brauchen, um beispielsweise ein eigenes Buch oder einen eigenen Text zu schreiben, funktioniert anders als die Alltagssprache. Ich denke, dass beides möglich ist. Generell ist es wichtig, egal in welchem Medium wir uns bewegen, dass wir bewusst mit der Sprache umgehen. Hierbei nimmt die Schule sicherlich eine bedeutende Rolle ein.
Eine weitere Entwicklung, die bedeutsam ist: Viele Kinder und Jugendliche sind nicht mehr so stark in der Handschrift verortet. Es gibt eine Hypothese, die besagt, dass irgendwann die handschriftliche Schreibweise aussterben wird, weil wir über die Tastatur und über die Sprachnachrichten so viele unterschiedliche Optionen des “in den Kontakt Tretens” haben. Der Handschrift wird dann keine so große Bedeutung mehr beigemessen. Das könnte eine mögliche Veränderung sein.
Gleichzeitig gibt es eine Gegenbewegung von Menschen, die gerne lesen, sich hinsetzen, schreiben und sich in die Materie vertiefen. Damit möchte ich sagen: Es gibt keinen generellen Trend, aber natürlich gibt es Punkte, auf die man selbst achten kann.
In Bezug auf die verschiedenen Kommunikationsformen möchte ich noch etwas einbringen: Ich hoffe folgendes Gefühl kommt nicht auf: Dass wir diese unterschiedlichen Textformen beherrschen müssen. Vielmehr würde ich mir wünschen, dass alle Menschen, ob jung oder alt, die Fragen „Wo befinden wir uns?“ sowie „Mit wem möchte ich in Kontakt treten?“ und „Wie und in welcher Form?“ in ihre Gedanken miteinbeziehen. Denn der Mensch verhält sich immer kontextbezogen. Ein Beispiel: Ich werde in diesem Interview auf eine andere Art kommunizieren, als wenn ich mich mit einer Freundin am Telefon unterhalte. Umso besser ich meine Kommunikation auf eine Person, auf eine Situation sowie auf den Kontext zuschneide, desto höher sind meine Chancen, dass ich mit anderen Menschen gut in Kontakt treten kann und auch verstanden werde. Und das ist meiner Meinung nach durchaus ein anzustrebendes Ziel.
Susanne: Sie haben kurz das Thema Cyber-Mobbing angesprochen: Denken Sie, dass das physische Mobbing aufgrund dessen abgenommen und sich ausgeglichen hat oder hat sich Mobbing generell einfach nur verstärkt?
M.K.: Cyber-Mobbing stellt eine neue Form von Mobbing dar. Das Mobbing im Miteinander wird dadurch leider nicht weniger. Wir nehmen in der Beratung und in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen wahr, dass Cyber-Mobbing seinen Ursprung nicht selten im Klassenraum oder im Freundeskreis hat. Das bedeutet: Mobbing setzt sich online oder übers Handy einfach fort. Sprich über Textnachrichten, über Sprachnachrichten oder über Gruppen.
Die digitale Welt bietet noch mehr Optionen mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen. Es können Likes verschickt, Freundschaftsanfragen versendet und miteinander in den Austausch getreten werden. Bedauerlicherweise ist es nicht immer so, dass alle dabei etwas Gutes im Sinn haben. Es kann passieren, dass auch die nicht so guten Erfahrungen weitergegeben werden. Und in Anbetracht dessen ist Cyber-Mobbing etwas Neues: Menschen, die sich noch nie gesehen haben, treten in einer gewalttätigeren Form in Kontakt. Das hat es zuvor so nicht gegeben.
Susanne: Ich würde gerne auf die Lösungsansätze eingehen: Die momentane Zeit ist eine physisch sehr distanzierte. Das ist Fakt. Wie kann Kommunikation zwischen den Generationen – besonders auch zwischen den jungen Leuten – dennoch gut funktionieren? Haben Sie Tipps, wie diese am besten funktionieren kann?
M.K.: Alternativen wären: Online-Treffen ausmachen, um miteinander Spiele zu spielen und sich dabei zu sehen. Genauso wie Video zu telefonieren, um ins Gespräch zu kommen, um sich auszutauschen, aber auch um gemeinsam Serien zu schauen oder um miteinander Sport zu betreiben. Das kann mit einer App aufeinander abgestimmt werden. Das Gleiche gilt für Verwandte und andere Bezugspersonen: Konkrete Treffen einplanen und besprechen: Was können wir miteinander tun? Ein Vorschlag wäre: An einem Tag plant Person 1, wie die Zeit gestaltet wird und am nächsten Tag Person 2. Hierbei ist es gut zu wissen: Es ist okay, sich auf einen Vorschlag einzulassen, vor allem wenn dieser der anderen Person am Herzen liegt, auch wenn ich die Aktivität selbst nicht so gerne mache. Das heißt: Bis zu einem gewissen Grad mit der Situation zu experimentieren.
Es ist ebenfalls wichtig bei den vielen Versuchen in Kontakt zu treten, nicht zu vergessen, sich Zeit freizuhalten, in der man sich selbst begegnet. Damit ist gemeint: Zeit runterzukommen, Musik zu hören oder in die Natur zu gehen, um die Gedanken schweifen zu lassen und sich wieder im Raum orientieren zu können. Eine Frage: Kennst du das Gefühl, wenn du den ganzen Tag vor dem Bildschirm oder vor dem Handy sitzt, und irgendwann die Situation eintritt, dass deine Augen nicht mehr in die Ferne fokussieren können? Oder man auf einmal spürt, dass man den Raum anders wahrnimmt?
Damit möchte ich sagen: Nicht nur schnell bewegte und bunte Bilder in Gruppenchats oder im Gaming zu erleben, sondern auch durchzuatmen und den Blick schweifen zu lassen. Bewusst aus der Situation herauszugehen und sich selbst erleben.
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Lösungsansätze entwickeln und sichtbar machen.
Was können wir selbst tun?
Die Kommunikation von jungen Leuten verlagert sich immer mehr in den digitalen Raum, durch Corona wurde dieses Phänomen noch verstärkt. Aus den Gesprächen mit den unterschiedlichen Generationen haben sich Lösungsvorschläge, wie Kommunikation trotz zunehmender Digitalisierung gut funktionieren kann, ergeben. Auch was bei konkreten Problemen, die in der virtuellen Welt entstehen, hilfreich sein könnte.
Wie können digitale Medien unterstützend auf die Kommunikation wirken?
- in der einfachen Vernetzung: junge Leute können sich stärker vernetzen
- aufgrund der größeren Anonymität traut man sich mehr zu fragen
- bei Problemen, kann schnell Hilfe aufgesucht werden
- digitale Plattformen könnten die Kommunikation (zwischen Lehrer*innen und Schüler*innen) leichter machen
- auf Corona bezogen: In einer distanzierten Zeit hilft es per Video-Chat miteinander zu kommunizieren, die anderen (jungen) Leute werden dadurch greifbarer
Was kann förderlich sein für eine gute Balance zwischen digital und analog?
- Zeiteinteilung – Reflexion: Wie lange bin ich am Tag digital unterwegs? Was macht es mit mir?
- Sich bestimmte Hobbies suchen, die immer analog bleiben
- Zeit für sich selber nehmen, wo man sich selbst begegnet. Musik hören, Sport treiben, in die Natur gehen etc.
- Ansprechpersonen haben, die nicht nur in der digitalen Welt sind. Um Mimik und Gestik gut erlernen zu können. Geschriebenes kann nicht immer richtig gedeutet werden.
Wie kann Kommunikation generell gut funktionieren?
- Es ist wichtig offen und ehrlich zu sein und zu versuchen, seine Bedürfnisse klar zu kommunizieren, ohne dabei verletzend zu sein.
- Reflexion der unterschiedlichen sprachlichen Ebenen — gesprochene und geschriebene Sprache machen einen Unterschied. An den Kontext, Situation und den/die Adressat:in die eigene Kommunikation anpassen.
- Zwischen den Generationen: Treffen ohne digitale Medien einplanen und miteinander persönlich Zeit verbringen. Auf die gegenseitigen Wünsche eingehen.
Was kann man gegen Cybermobbing tun?
- Austausch mit anderen Betroffen (dies sollte jedoch jedenfalls professionell begleitet werden)
- Beratungsstellen, wie etwa “Hass im Netz” oder “147 Rat auf Draht” aufsuchen und sich darüber informieren, was dagegen getan werden kann
- Einschreiten und den “Mund aufmachen”, wenn beobachtet wird, dass ein Mensch gemobbt wird
- Passiert (Cyber-)Mobbing in der Schule kann die Schulsozialarbeit oder der Klassenvorstand als Unterstützung angesprochen werden
Wie können (junge) Menschen mit unrealistischen Bildern aus dem Internet umgehen? (-> bearbeitet)
- Wissensvermittlung, dass es nur idealisierte Bilder sind, keine realen (möglicherweise das “Bild markieren”, wie es in Frankreich schon der Fall ist)
- Sich auch Influencer suchen, die reale Bilder posten, nicht nur die idealistischen — gibt es dafür Beispiele?