Perspektive Generationen: Miteinander neue Lösungen finden
Fr 25.09.2020
Wie engagieren sich Jugendliche in der Politik?
Ein Beitrag von
Muhammad Kudusov
Seit den „Fridays for Future“-Demos stehen engagierte Jugendliche im Fokus der Medienaufmerksamkeit. Auch die „Black Lives Matter“-Proteste werden eher von jungen Leuten angetrieben. Sie lenken die Aufmerksamkeit auf kontroverse, seriöse Themen, die aus ihrer Sicht nicht ausreichend ernst genommen werden. Ich wollte wissen: Wie bewerten junge Leute in meinem Umfeld diese Bewegungen? Was denken sie über Politik? Was sagen erfahrene Erwachsene dazu? Dazu konnte ich Interviews führen. Bgm. Georg Bucher (Ansprechpartner für Jugendliche / Regio ImWalgau), Landesrätin Veronika Marte und die Journalistin Jutta Berger haben sich Zeit genommen.
Svenja Walser
16 Jahre
Bregenz
Svenja Walser
16 Jahre
Bregenz
Wie findest du Jugendliche, die sich in der Politik engagieren?
Ohne Politik gäbe es Chaos, siehe die Corona-Maßnahmen. Jugendliche sind die Generation von morgen. Sie haben auch eine Stimme. Österreich ist eine Demokratie, die Bevölkerung soll entscheiden und dazu gehören auch Jugendliche. Das ist super.
Was erreichen junge Leute etwa von Fridays for Future?
Sie haben viel Aufsehen in den Medien bekommen und sind zum wichtigen Thema geworden, auch aktuell. Man redet mehr über das Klima, auch im eigenen Umfeld. Zum Beispiel essen meine Schwester und ich öfters vegetarisch, kaufen mehr regional und saisonal und sparen Strom und gehen mehr zu Fuß oder benutzen Öffis. Und im Frühjahr haben wir sogar ein Kräuterbeet angelegt im Garten.
weiterlesen
weniger anzeigen
Joachim Stöckeler
16 Jahre
Bregenz
Joachim Stöckeler
16 Jahre
Bregenz
Wie ist der politische Einfluss von jugendlichen Lehrlingen?
Sehr gut. Es gibt ‚Lehrlingsparteien‘, politische Gruppen die sich für Themen der Lehrlinge einsetzen. Sie schauen z.B., dass Essen in der Kantine zu reduzierten Preisen ausgegeben wird. Sie kommunizieren gut mit der Gewerkschaft. Es gibt Lehrlingsvertreter und wenn man einen Vorschlag oder ein Problem hat, kann man dort auch anonym in Kontakt treten. Alle zwei Jahre gibt es Neuwahlen.
Was wünscht du dir von den Politiker*innen?
Dass man sich nicht immer gegen die Ideen der anderen stellt oder gute Ideen ‚klaut‘. Das ist so richtig kriegerisch. Besser ist es, die Idee zu übernehmen und Respekt zu geben dafür. Die Politik dreht sich zu sehr um die Parteien, statt um die Lösungen.
weiterlesen
weniger anzeigen
Alima Bonenkamp Furtado
16 Jahre
Bregenz
Alima Bonenkamp Furtado
16 Jahre
Bregenz
Worum ging es bei „BlackLivesMatter“?
Gegen Polizeigewalt und Rassismus generell. In den USA begann die Bewegung wegen der Diskriminierung. Hier in Österreich gibt es zwar nicht viele Menschen mit dunkler Hautfarbe, aber die Demo war allgemein gegen Rassismus. Egal welche Hautfarbe, das ist nicht das Thema. Ich habe Familie in Amerika, sie haben Angst. Ich bin Mixed. Ich will die Leute beschützen und meine Familie beschützen. Viele meinten, dass das Demonstrieren unnötig war. Aber es geht um Solidarität und es ist nicht okay, vor allem wenn die Gewalt von jenen ausgeht, die die Bevölkerung schützen sollen. Da hat man nur noch Angst.
Wirst du ernstgenommen?
Viele tun nur so, als würde sie uns ernst nehmen, weil sie die Wählerstimme brauchen. Vertreter*innen einer Partei haben Snacks zu den „Fridays for Future“- Demos gebracht. Aber es geht darum, dass die ganze Bevölkerung und Regierung zusammenarbeitet und nicht nur die eine Partei allein. Die Probleme der Gegenwart kann man nur zusammen lösen. Wenn sich die Parteien bekämpfen, kommen keine Lösungen raus dabei. Wenn die Partei das nur als Werbung benutzt, nützt es nichts.
weiterlesen
weniger anzeigen
Jugendliche engagieren sich in den verschiedensten Weisen. Manche organisieren etwas auf eigene Faust und veranstalten eine Demonstration auf der Straße. Andere bewirken im nahen Umfeld etwas und überreden die Schwester weniger Fleisch zu essen oder selbst mehr zu Fuß zu laufen. Und manche machen bei Initiativen wie jung&weise mit und schreiben im Blog darüber und interviewen Politiker. Engagement zeigt sich auf viele Arten und Weisen. Was alle Jugendlichen verbindet: Sie wollen gehört und verstanden werden. Man soll sie ernst nehmen und mit Respekt behandeln. Auch sie sind ein Teil der Bevölkerung und wollen mitbestimmen.
Perspektive gewinnen, was wissen wir?
Expert*innen im Interview
Was sind die Voraussetzungen dafür, dass Kommunikation zwischen den Generationen stattfindet?
Georg Bucher
Bürgermeister Bürs
Georg Bucher
Bürgermeister Bürs
Zuerst einmal ist es wichtig auf welcher Ebene miteinander gesprochen wird. Es braucht Akzeptanz und Ernst, dann gibt es mal eine wichtige Basis und alles andere kommt dazu. Da gibt es viele Spektren. Es ist wichtig, dass die Kommunikationsregeln eingehalten werden, dass man auf Augenhöhe mit Erwachsenen redet und sie auch kritisieren darf, dann passiert es auch im großen Umkreis.
Beeinflusst die Meinung der Kinder ihre Entscheidung innerhalb der Politik? Also wird sie berücksichtigt?
Wir haben ein Kinderbeteiligungsprojekt in der Gemeinde und auch Jugendbeteiligungsprojekte wie jung&weise. Jetzt gerade in den letzten Jahren verstärkt, dass wir einen kontinuierlichen Lernprozess für Jugendbeteiligung haben. Bis jetzt haben wir immer kurzfristige Projekte gehabt, die aber bereits meist nach 2 Monaten abgeschlossen waren. Aber es sollte ein laufender, natürlicher Prozess sein, der fachlich begleitet wird. Einem Jugendparlament gegenüber bin ich aber skeptisch: Soll es dann auch ein Senior*innenparlament geben? Oder ein Mittelklasseparlament? Ich bezweifle, dass dies das richtige Format ist. Sie sollten lieber eine gemeinsame Stimme sein. Zusammen Projekte schaffen und präsentieren wie bei jung&weise. Die Jugend soll man nicht abkapseln, sondern aktiv beteiligen.
Sie wünschen sich, dass Kinder- und Jugendbeteiligung ein Fixpunkt in der Politik wird. Wie sehen sie die Umsetzung davon?
Ein wichtiger Punkt sind offene Schulen. Ein wichtiger Weg ist es, auf Schülerinnen und Schüler zuzugehen. Wenn ich die jungen Leute bis zum Pflichtschulalter beteilige, erwische ich einen Großteil der Jugendlichen. Wenn ich Klassen einbinde, dann profitieren alle von der politischen Bildung.
Wie sehen Sie die politische Bildung bei den Kindern und Jugendlichen?
Demokratie ist ein ewiger Lernprozess. Ein Klassenverband macht Themenfindung und Prioritätensetzung. Wenn ich meine Meinung vertreten will, muss ich mich durchsetzen können z.B. bei der Frage: „Gehen wir ins Schwimmbad oder wandern?“ Dafür muss ich Argumente finden und bereits das ist politische Bildung. Klassische politische Bildung ist eher historisch mit Daten und Zahlen. Im Schulablauf wäre der Beteiligungsprozess sehr wichtig. Der Kontrast zu aktuellen Themen muss auch da sein.
Was würden Sie gerne bei den Jugendlichen sehen?
Ich wünsche mir, dass die Jugendlichen nicht nur einen Wunschzettel schreiben, sondern auch Pflichten übernehmen, indem sie Vorschläge machen und auch gewisse Dinge organisieren und bei Initiativen wie zum Beispiel jung&weise mitmachen.
weiterlesen
weniger anzeigen
Sie setzen sich stark für politische Bildung bei jungen Menschen ein. Was sind Ihre Visionen?
Veronika Marte
Landesrätin
Veronika Marte
Landesrätin
Ich bin in einem Haushalt aufgewachsen, indem man immer diskutiert hat und wo es wichtig war, dass man sich eine Meinung bilden konnte. Im Beruf bin ich Lehrerin und habe viel mit Jugendlichen zu tun, ich habe auch politische Bildung unterrichtet. Im Grunde passiert Politik in ganz vielen Bereichen. Und doch hört man oft: „Nein, nein, ich will politisch nichts machen.“ Obwohl man doch längst dabei ist, etwa wenn man sich im Verein engagiert oder mit der Entscheidung, wo man einkauft. Das sind auch politische Entscheidungen. Eine Vision von mir ist, dass man junge Menschen befähigt, sich selbst ein Bild von gewissen Dingen zu machen, statt vorgesagt zu bekommen: „So ist es.“ Wir können nicht einfach das Wahlalter ab 16 Jahren einführen, aber keine politische Bildung anbieten. Es wäre eine Grundbildung nötig in Form eines Faches.
Wie stellen Sie sich so ein Fach vor?
Ich war selbst Lehrerin. Meine Schüler*innen wussten nicht, dass ich bei einer Partei bin. Ich stimme zwar nicht allem zu, was die ÖVP macht, doch sie vertritt meine Interessen am besten. Mir war aber wichtig, dass die jungen Leute auch andere Parteien kennenlernen und den historischen Hintergrund dazu: Wie sind diese Parteien entstanden, welche Geschichte haben sie miteinander. Das wichtigste als Lehrperson ist, unabhängig zu unterrichten. Man muss alle Schüler*innen fair behandeln. Egal welches Thema behandelt wird, man muss unabhängig bleiben und den Jugendlichen die Chance geben, sich selbst ein Bild zu machen.
Was können junge Menschen in der Politik bewirken?
In der Politik muss man versuchen alle Gruppen einzubeziehen. Man versucht seniorenfreundlich und familienfreundlich vorzugehen, aber man muss Politik auch jugendfreundlich machen. In der Stadt Leben verschiedene Generationen und je mehr man einbezieht, ein umso differenzierteres Bild entsteht. Ich kann zwar versuchen für Jugendliche zu sprechen, aber Ich bin erwachsen und meine Bedürfnisse sind heute anders als die euren. Ausgleich bewirkt man, indem man junge Kandidaten auf die Listen holt und mit Jugendorganisationen zusammenarbeitet.
Wie involviere ich Jugendliche als Politikerin?
In Bregenz arbeiten wir schon lange mit Carmen Feuchtner von Welt der Kinder und jung&weise zusammen. Das Wichtigste ist es, die Hemmschwelle abzubauen
Was würden Sie gerne bei der Jugend sehen?
Es gibt gewisse Regeln des Zusammenlebens, Gesetze. Man hat nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Jeder kann auch einen Beitrag leisten und unsere Jugendliche leisten besonders viel. Wir haben viele Vereine mit guter Jugendbeteiligung, das YoungArt zum Beispiel oder die Stofftaschen im Walgau, die anstelle von Plastiksäcken verkauft wurden, die Organisation von ZeroWaste Picknicks. Das YoungArt wird überwiegend von jungen Menschen organisiert. Das ist lässig und gut und es freut mich, so etwas zu sehen.
Finden Sie, dass ein Wahlrecht ab 16 Jahren zu früh ist?
Das ist ein schwieriges Thema. Man darf zwar mit 16 wählen, aber auf keiner Liste kandidieren. Da gibt es sicher noch Verbesserungsbedarf. Wenn man das Wahlalter senkt, ist es auch wichtig, politische Bildung mit einzubeziehen. Das Wahlalter mit 16 Jahren ist ausreichend jung, auch 18 Jahre würde passen. Ich finde es schade, weil auch viele 16-Jährige sehr politisch engagiert sind, aber viele junge Leute unter 18 Jahren setzen sich mit dem Fach Politik nicht konkret auseinander: Man hat zwar das Wahlalter gesenkt, aber keine politische Bildung eingeführt. Ich würde sagen, das ist ein Versäumnis.
Sie waren auch bei jung&weise dabei, was haben sie von dort mitgenommen?
Ich war zweimal bei jung&weise dabei, einmal in einer größeren Runde, einmal in einer kleineren Runde. Ich finde es interessant, wie sich junge Leute ausdrücken und ihre Standpunkte mit Argumenten verteidigen. Es ist einfach ein anderer Blickwinkel. Vor jung&weise war meine Einstellung anders. Ich habe viel mit Jugendlichen zu tun und denke, dass viele Jugendliche ein unglaubliches Potential haben, dass sie bestimmt sind und auch etwas frech. Das Frechsein ist natürlich das Vorrecht der Jugend.
Welches sind die aktuellen Schritte der Jugendpolitik in Bregenz?
Das aktuellen Jugendprojekte sind die Zusammenführung von Between und Westend, daran wird gearbeitet. In den letzten 3 Jahren gingen es darum, beide Organisationen unter einer Leitung zusammenzuführen, mit einem Vorstand, und daraus schließlich einen Verein zu machen. Hinter der Idee steht immer die Frage: „Was braucht die Jugend in Bregenz?“ Ein kleineres Projekt, das wir umgesetzt haben, ist der Spielplatz neben dem Riedenburger Bahnhof. Bei solchen Prozessen ist es immer wichtig eine Gruppe Jugendliche dabei zu haben, die mitreden.
„BlackLivesMatter“ ist ein brisantes und wichtiges Thema bei jungen Menschen. Von Seiten der Politik kam es kaum Reaktionen. Wieso?
Ich habe zwar die ganzen Ausschreitungen über die Medien mitverfolgt. Es ist wichtig, die Diskussion über strukturellen Rassismus zu führen. Den gibt es auch hier. Man muss sich immer wieder selbst überlegen, wie man redet, wie man anderen begegnet. Ich weiß, dass es Demonstrationen auch während der Hochphase von Corona gab. Da finde ich es generell grenzwertig, solche Veranstaltungen zu machen. Es ist schwierig. den Sicherheitsabstand und die erforderlichen Maßnahmen einzuhalten. Auf Bundesebene hat man sich sehr wohl vom strukturellem Rassismus distanziert, aber nicht unter dem Namen „BlackLivesMatter“. Das war vielleicht für Jugendliche nicht nachvollziehbar? Für mich ist es unverständlich, wie Menschen in der Lage sind, rassistisch vorzugehen. Es ist doch völlig unbedeutend, welche Hautfarbe oder welchen Hintergrund man hat. Wir sind alle gleich. Grundsätzlich sollte man einen großen Bogen spannen und allgemein gegen Intoleranz angehen.
weiterlesen
weniger anzeigen
Sie waren im Landtag. Sind ihnen dabei Organisationen mit Jugendlichen aufgefallen?
Jutta Berger
Journalistin
Jutta Berger
Journalistin
Es gab ein Jugendlandtag, welcher aus Schülern und Schülerinnen von verschiedenen Schulen bestand. Mir gefiel dieser Landtag nicht, er wirkte mehr wie eine Karikatur der echten Parteien war. Er war durchorganisiert und die Jugendlichen vertraten eher die Meinung der Parteien als ihre eigenen.
Sehen sie einen Nutzen vom Diskurs mit Kindern und Jugendlichen über Politik?
Ich halte das für ganz wichtig, sowohl wirtschaftlich wie auch politisch und für die, welche sich für die Zukunft schlau machen. Die Politik ist nicht die Politik für heute, sondern eine Politik mit Folgen für mehrere Generationen. Es liegen Welten zwischen der Perspektive von Erwachsenen und einem Kind.
Wie können sich Kinder und Jugendliche engagieren?
Jeder kann sich engagieren. Bei Initiativen, Kommunen, Schulen, uva.
Wie kann man als Politikerin Kinder und Jugendliche involvieren?
Man muss das Gespräch suchen, sie ernst nehmen, Vorschläge aufnehmen und umsetzen. Falls man mit Jugendlichen Projekte startet, soll man diese nicht nachher in Schubladen stecken, sondern durchziehen. Sonst besteht die Gefahr, dass die Jugendlichen beziehungsweise Kinder kein Interesse mehr an der Politik haben könnten.
Gibt es genug politische Bildung für Kinder und Jugendliche?
Bereits damit, eigene Aktivitäten im Kindergarten zu entwickeln, mit der Möglichkeit, seine Meinung laut zu äußern und sich zutrauen, diese zu äußern, fängt die politische Bildung an. Da findet ein Umdenken statt.
Was würden sie gerne bei der Jugend sehen?
Engagement und dass die Jugendlichen für ihre Ideen eintreten und laute, aktive und mutige Jugendliche sind.