Philosophieren mit Kindern
„Ist ein Hund wertvoller als eine Mücke?“
und hoher Besuch von einer fernen Insel …
Der international renommierte Universitätsprofessor Dr. Jackson besucht eine Volksschulklasse in Vorarlberg und zieht begeistert von dannen – wie kommt das? Dahinter steht ein Programmbaustein, den wir mit der Kinderphilosophin Maria Pelusi(-Eitzinger) in der Marktgemeinde Lustenau aufbauen konnten: Dr. Jay, der ältere Herr aus Hawaii, besuchte seine jungen KollegInnen. Er durfte sich sehr darüber freuen, dass seine Initiative „Philosophieren mit Kindern“ auch in Europa das Weltwissen der Kinder beflügelt.
Was bei uns noch ganz neu ist, erfährt inzwischen weltweit Beachtung und gehört auf der fernen Insel zum regulären Alltag an Schulen. Von dort brachte Maria Pelusi (Netzwerk Welt der Kinder) die Werkzeugkiste mit: Einfache Buchstaben, die das vertiefende Fragen begleiten. Bürgermeister Kurt Fischer erkannte sogleich den Wert der Sache und unterstützte die Einführung der neuen Methode als eine Grundlage der Lustenauer Kinderbeteiligung.
Interessierte Klassen üben in der Pilotphase mit Frau Maria Pelusi die Werkzeuge ein, in der Folge arbeiten die Kinder und ihre Lehrerinnen selbständig weiter (zunächst Maria Hämmerle & Christiane Hämmerle-Graf).
Am Beginn wird eine Frage gesucht, die alle interessiert. Wer darüber nachdenkt und eine Behauptung vorbringt, wird gebeten, diese zu begründen: So kommt das „G“ für Grund in Spiel und schon ist man ins Forschen eingestiegen. Das „W“ für „Was meinst Du mit …?“ hilft, zu vertiefen, das „A“ erlaubt es, eine Annahme zu identifizieren. Im nächsten Schritt folgt: „Stimmt das?“ – dafür steht das „S“. Zur Prüfung dienen Beispiele, die „B“s, aber auch Gegenbeispiele, die „GB“s. Und schließlich sind „F“s möglich, Schlußfolgerungen. So ausgestattet kommen die Kinder mit allen ihren Fragen weiter, auch wenn die Antworten nicht immer eindeutig sind. Welche Fragen? Darauf gaben die Kinder zunächst bekannt – oh, so viele!Wichtiger als Fragen und Antworten ist ihnen die Erfahrung: Jede/r hat wertvolle eigene Gedanken. Es lohnt sich, seine eigene Meinung einzubringen und diese zu hinterfragen. Eines ist sicher: Den jungen PhilosophInnen wird so leicht niemand ein X für ein U vormachen. Wissen sie doch, welche Prüfungen das G durchlaufen muss, bis es endlich zu einem F geworden ist. Für alle, die neugierig geworden sind Dr. Jay’s Geheimtip: Ein Besuch in der „Philosophie-Klassen“ der Marktgemeinde Lustenau.
Der Aufbau von Kinderbeteiligung wurde in der Marktgemeinde Lustenau von 2009 bis 2014 durch Welt der Kinder begleitet.
„Dr. Jay“ führte Philosophieren mit Kindern zunächst an Schulen in Hawai ein. Gemeinsam mit der Kinderphilosophin Maria Pelusi holten wir ihn nach Europa.
Mehr unter www.p4chawaii.org
Die Werkzeuge des Philosophierens:
G = Grund
So erkennt man die Begründung einer Behauptung. Das ist mehr als eine Meinung. Mit „G“ fängt man an, etwas zu erforschen.
W = Was meinst du mit …?
[W] bei mehrdeutigen Wörtern verwendet und/oder wenn die Bedeutung eines Wortes unklar ist. Durch „W“ redet man nicht mehr aneinander vorbei und man traut sich, nachzufragen und lernt neue Wörter kennen.
A = Annahme
Wieso nehme ich an, dass etwas so ist? „A“ hilft dabei, Vorurteile zu erkennen und nur gute Argumente gelten zu lassen.
S = Stimmt das?
Mit „S“ kann man die Wahrheit einer Aussage anzweifeln. Man überprüft sie.
B = Beispiel
Das „B“ hilft, um deutlich zu machen, was man denkt. Beispiele können etwas
verständlich machen und manchmal als Beweis dienen (Evidenz).
GB = Gegenbeispiel
Das „GB“ hilft, um All-Aussagen zu widerlegen. Ein Gegenbeispiel trägt dazu bei, möglichst wenig Vorurteile zu haben.
F = Folgerung
Mit „F“ lernt man, die Konsequenzen einer Aussage zu bedenken. Was sind die Folgen von dem, was jemand sagt? (wenn…, dann…) Man erkennt Folgerungen und kann sie überprüfen. Man kann Teilantworten formulieren, in der Form: Wenn etwas Bestimmtes der Fall ist, dann ist etwas anderes gegeben.
Maria Rüdisser, Kinderphilosophin
„Beim Philosophieren hört man den anderen zu, niemand wird ausgelacht, man kann über alle Themen sprechen. Das ist schön.“
Lisa Hämmerle (9 J.)
„Man weiß auch von anderen die Meinung.“
Linda Hagen (10 J.)
„Man redet mit anderen über Fragen, die man sich selbst schon oft gestellt hat. Und dann kommt eine ganz andere Antwort raus, als man vorher gedacht hätte!“
Lena Flanger (10 J.)
„Ich habe mich sicher gefühlt beim Philosophieren. Im Kreis ist es so still, auf dem Platz ist es viel lauter. Ich mag gerne, wenn die ganze Klasse zusammensitzt. Ich finde es auch cool, wenn man solche Fragen denkt.“
Emilie Graf (10 J.)
„Alle hören einem zu, man nimmt einen ernst. Da kommt etwas Neues heraus, etwas was man vorher noch nicht gedacht hat. Und alle können etwas dazulernen.“
Sofia Müller (10 J.)
„Die Frage, über die ich als nächstes philosophieren möchte: Ist ein Hund wertvoller als eine Mücke? Diese Frage wurde zuletzt nicht gewählt, aber ich möchte das wissen. Eine Frage war mal: Warum schuf Gott die Erde? Da haben wir uns etwas ganz Witziges überlegt: Weil Gott etwas Buntes im Weltall haben wollte. Dann ist die Frage, ob Gott bunt sieht.“
Clara Benedikter (9 J.)
„Sind wir Tierquäler, wenn wir Eier essen? Eigentlich nicht. Das hängt aber davon ab, wie die Eier entstehen. Solche Fragen sind interessant. Wenn man spricht, ist es am Anfang ein bisschen peinlich, aber dann fühlt man sich immer sicherer und es ist schön.“
Seval Meteer (9 J.)
„Mir hat gefallen, dass man da eigentlich ganz offen redet. Man traut sich, was zu sagen und versteckt die Wörter nicht. Man kann sagen, dass man findet, wenn was nicht stimmt. Man denkt dann anders. Und am Ende weiß man immer ein Stück mehr.“
Julian Riedmann (10 J.)